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Der Bundestag hat am Donnerstag, 18. November 2021, einen Gesetzentwurf der Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) (20/15) beschlossen. Demnach soll unter anderem die Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite am 25. November auslaufen. Zu dem Entwurf hatte der Hauptausschuss eine Beschlussempfehlung (20/78 Buchstabe a) und einen Bericht (20/89) vorgelegt, in denen Änderungen und Ergänzungen dokumentiert wurden. In zweiter Beratung wurde der so geänderte Gesetzentwurf mit den Stimmen der drei Fraktionen gegen das Votum der CDU/CSU und der AfD bei Enthaltung der Linken angenommen. In der anschließenden namentlichen Abstimmung votierten 398 Abgeordnete für die Vorlage, 254 stimmten dagegen, 36 enthielten sich der Stimme. Initiativen von Unions- und Linksfraktion fanden keine Mehrheit.
Gesetzentwurf von SPD, Grünen und FDP
Geplant ist nun die Einfügung eines bundeseinheitlich anwendbaren Katalogs möglicher Schutzvorkehrungen in Paragraf 28a des Infektionsschutzgesetzes. Damit soll es möglich sein, je nach Entwicklung der Lage erforderliche Schutzvorkehrungen zu treffen. Ferner würden gesetzliche oder untergesetzliche Regelungen zum Infektionsschutz im regulären parlamentarischen Verfahren jederzeit kurzfristig ermöglicht, heißt es in dem Entwurf.
Zugleich werde dafür gesorgt, dass Kindern und andere infektionsgefährdete Gruppen, für die kein Impfangebot verfügbar ist, rechtssicher geschützt werden können. Der neue Katalog sei auf Vorkehrungen beschränkt, die in der jetzigen Phase der Pandemie sinnvoll und angemessen sein könnten, heißt es in dem Entwurf. Die Vorkehrungen könnten je nach regionaler Lage differenziert angewendet werden.
Mögliche Schutzvorkehrungen bis 19. März 2022
In Paragraf 28a Absatz 7 des Infektionsschutzgesetzes werden die Schutzvorkehrungen benannt, die bundesweit bis zum 19. März 2022 unabhängig von der festgestellten epidemischen Lage von nationaler Tragweite ergriffen werden können.
Genannt werden die Anordnung eines Abstandsgebots, die Maskenpflicht, die Vorlage von Impf-, Genesenen- oder Testnachweisen, verpflichtende Hygienekonzepte, Auflagen für den Betrieb von Gemeinschaftseinrichtungen wie Hochschulen oder Einrichtungen der Erwachsenenbildung sowie die Verarbeitung von Kontaktdaten von Kunden, Gästen oder Teilnehmern einer Veranstaltung.
Erweitertes Kinderkrankengeld auch im Jahr 2022
Der Gesetzentwurf beinhaltet auch die Möglichkeit für Arbeitgeber, unabhängig von der epidemischen Lage in bestimmten Einrichtungen und Unternehmen zur Verhinderung von Infektionen Daten zum Impf- und Serostatus der Beschäftigten zu verarbeiten. Ferner sollen die Sonderregelungen zum Kinderkrankengeld auf das Jahr 2022 ausgedehnt werden.
Geplant sind auch die Verlängerung des vereinfachten Zugangs zu den sozialen Mindestsicherungssystemen sowie die erleichterte Vermögensprüfung im Kinderzuschlag bis Ende März 2022. Auch „bewährte Vorgaben“ zum betrieblichen Infektionsschutz sollen für drei Monate beibehalten werden.
Pflege-Sonderregelungen sollen verlängert werden
Die zum Schutz der öffentlichen Gesundheit und für eine bessere Vereinbarkeit von Pflege und Beruf nötigen Regelungen im Pflegezeitgesetz, Familienpflegezeitgesetz und im Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI, Soziale Pflegeversicherung) sollen auch nach Ende der epidemischen Lage und über das Jahresende 2021 hinaus gelten. Der Entwurf sieht zudem vor, Sonderregelungen in der Pflege bis Ende März 2022 zu verlängern.
Schließlich soll die Eintragung falscher Impfdokumentationen in Blankett-Impfausweisen unter Strafe gestellt werden. Auch der Gebrauch fremder Gesundheitszeugnisse soll ausdrücklich im Strafgesetzbuch erfasst werden.
Änderungen am Gesetzentwurf vorgenommen
Zum gemeinsamen Gesetzentwurf von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP hatte der am 11. November vom Bundestag eingesetzte Hauptausschuss am 15. November Sachverständige in einer öffentlichen Anhörung gehört. Nach Kritik aus der Politik und von Experten hatte er den Katalog der Schutzvorkehrungen noch ergänzt und deutlich ausgeweitet. Dazu hatten SPD, Grüne und FDP 16 Änderungsanträge vorgelegt.
Bei einer konkreten epidemischen Gefahr können die Länder mit Beschluss der Landtage auch künftig Personenbeschränkungen für Betriebe, Einrichtungen oder Veranstaltungen erlassen. Auch dürfen die Länder in solchen Fällen Kontaktbeschränkungen im privaten und öffentlichen Raum anordnen. Die Anordnung von Ausgangsbeschränkungen oder das generelle Verbot für Veranstaltungen oder Versammlungen soll aber ausgeschlossen sein.
3G-Regelung im öffentlichen Nah- und Fernverkehr
Die drei Fraktionen hatten sich ferner auf eine 3G-Regelung (geimpft, genesen, getestet) am Arbeitsplatz und im öffentlichen Nah- und Fernverkehr verständigt. Beschäftigte sollen außerdem, wenn möglich, von zu Hause aus arbeiten (Homeoffice). Um sogenannte vulnerable Gruppen besser zu schützen, also insbesondere ältere Menschen, ist in Krankenhäusern, Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen eine Testpflicht für Arbeitgeber, Beschäftigte und Besucher vorgesehen.
Krankenhäuser bekommen für jeden Covid-19-Patienten, den sie aufnehmen, einen Versorgungsaufschlag. Der Gesetzentwurf beinhaltet zudem die Fortführung sozialer und wirtschaftlicher Schutzschirme. Schließlich werden das unbefugte Ausstellen von Gesundheitszeugnissen, das Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse und der Gebrauch unrichtiger Gesundheitszeugnisse unter Strafe gestellt. Auch unrichtige Impf- und Test-Dokumentationen und Bescheinigungen werden bestraft.
CDU/CSU: Sie haben keinen Plan für diese Pandemie
In der Schlussdebatte hielt die Union den künftigen Koalitionären vor, in einer dramatischen Notlage auf ein bewährtes Instrument der Krisenbewältigung zu verzichten. Stephan Stracke (CDU/CSU) kritisierte: „Sie werden der Dramatik der Lage nicht gerecht.“ Die vierte Corona-Welle habe das Land mit voller Wucht erfasst. Die Krankenhäuser stießen an ihre Grenzen, Intensivbetten seien belegt, Patienten müssten verlegt werden, planbare Operationen würden verschoben. Ärzte und Pfleger seien an ihrer Belastungsgrenze.
Mit dem neuen Gesetz würden die Handlungsmöglichkeiten der Länder reduziert, rügte Stracke. Das könne nicht gutgehen. Notwendig sei jetzt eine enge Abstimmung von Bund und Ländern, das habe die SPD jedoch lange verhindert. Stracke rügte: „Sie haben keinen Plan für diese Pandemie.“ Die Feststellung der epidemischen Notlage gebe einen passgenauen Rahmen für die Länder. Dieses bewährtes Rechtsinstrument werde nun ohne Not nicht verlängert Das sei ein falsches Signal und auch inhaltlich falsch. „Sie haben sich komplett verrannt.“
Spahn weist Kritik an seinem Krisenmanagement zurück
Auch der geschäftsführende Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) meldete sich in der Debatte zu Wort und wies Kritik an seinem Krisenmanagement zurück. Spahn räumte ein, die Lage sei ernst. Die jetzige Dynamik im Infektionsgeschehen hätten Wenige vorhergesagt.
Er selbst habe verschiedene Vorschläge gemacht, wie die Rechtslage in der Zukunft ausgestaltet werden könne. Wenn die künftige Koalition nun einen eigenen Weg gehe, müsse sie dafür auch die Verantwortung übernehmen. Die Grünen-Abgeordnete Manuela Rottmann bot der Union an, in der Krise im Gespräch zu bleiben.
SPD will die politische Verantwortung übernehmen
Redner von Grünen, SPD und FPD verteidigten den nachgebesserten Gesetzentwurf sowie den geplanten Verzicht auf die Feststellung der epidemischen Notlage. Sabine Dittmar (SPD) sagte, die Reform schaffe einen neuen gesetzlichen Ordnungsrahmen zur Bewältigung der Pandemie. Sie betonte: „Wir reagieren mit den notwendigen und rechtssicheren Maßnahmen auf die sehr schwierige Coronalage.“ Die alte Regelung sei mit Ausgangssperren, Beherbergungsverboten oder flächendeckenden Ladenschließungen „verfassungsrechtlich und epidemiologisch fragwürdig“ gewesen. Dittmar kündigte an: „Wir übernehmen jetzt die politische Verantwortung.“
Mit dem neuen Gesetz bleibe das hohe Schutzniveau nicht nur erhalten, sondern es werde erhöht. Die Länder erhielten mehr Möglichkeiten des effizienten Handelns, als bei der noch gültigen Rechtslage. So könnten die Länder auch Veranstaltungen absagen oder einzelne Einrichtungen schließen. Zudem werde Rechtssicherheit geschaffen. Zugleich würden jene Menschen geschützt, die am verletzlichsten seien. Dittmar sagte voraus: „Vor uns stehen anstrengende Monate.“
Grüne fordern „Schutzwall im öffentlichen Leben“
Auch Katrin Göring-Eckardt (Bündnis 90/Die Grünen) wies auf den Ernst der Lage hin und auf die Notwendigkeit, jetzt entschlossen zu reagieren. Die jüngste Entwicklung im Gesundheitssystem mache ihr große Sorgen. „Wir befinden uns in einer Notsituation.“ Sie warf der alten Regierung vor, sich auf die absehbar schwierige Herbst- und Winterzeit nicht ausreichend vorbereitet zu haben. Sie betonte: „Heute erwarten die Menschen, dass wir uns zusammenreißen und handeln.“
Nötig seien rechtssichere Maßnahmen. Das neue Gesetz biete deutlich mehr Möglichkeiten als bisher. Die Grünen-Politikerin mahnte: „Wir brauchen einen Schutzwall im öffentlichen Leben.“ Daher gebe es künftig die Pflicht, die Lage von Kindern zu berücksichtigen. Schulen und Kitas müssten so lange wie möglich offen bleiben.
FDP: Corona ist nicht vorbei
Marco Buschmann (FDP) wandte sich gegen den möglichen Eindruck, dass mit dem Verzicht auf die Feststellung der epidemischen Notlage die Botschaft verbunden sein könnte, die Corona-Pandemie sei vorbei. „Corona ist nicht vorbei.“ Die Lage sei ernst, insbesondere dort, wo die Impfquote niedrig ausfalle. Das sei derzeit gerade in Bayern und Sachsen der Fall. Buschmann forderte alle Bürger auf, sich impfen zu lassen oder sich auch für eine Auffrischungsimpfung zu entscheiden.
Eine nationale Impfoffensive sei der Weg aus der Pandemie. Der FDP-Politiker wies den Vorwurf zurück, das neue Gesetz lasse die Länder wehrlos zurück. Das sei falsch. Tatsächlich würden robuste Maßnahmen ermöglicht und auf rechtssichere Beine gestellt. Das sei ein Fortschritt in der Pandemie-Bekämpfung. So werde der Instrumentenkasten erweitert und nicht reduziert. Buschmann mahnte, es dürfe jetzt nicht um politische Konstellationen gehen, um Union oder Ampel: „Es geht darum, unser Land zu schützen.“
AfD kritisiert Druck auf Ungeimpfte
Tino Chrupalla (AfD) erneuerte die Kritik seiner Fraktion, wonach der Druck auf die noch nicht geimpften Menschen immer weiter verschärft werde. Die Bürger hätten aber ein Recht darauf, eigenverantwortlich zu handeln und könnten nicht als Impfverweigerer abgestempelt werden.
Er mahnte: „Hören Sie auf, einzelne Gruppen gegeneinander auszuspielen.“ Den künftigen Koalitionären warf Chrupalla vor, die bisherige Politik der Panik und Verbote fortführen zu wollen. Die Ungeimpften würden für alles verantwortlich gemacht, dabei liege die Impfquote nun bei fast 70 Prozent, ohne dass sich die Lage entspanne. Die Hoffnung in die Impfstoffe sei offensichtlich zu groß gewesen, die Impfdurchbrüche zeigen, dass die Impfstoffe doch nicht so zuverlässig wirkten.
Linke für stringente Corona-Politik
Nach Ansicht von Dietmar Bartsch (Linke) ist die Corona-Politik unberechenbar und nicht verlässlich genug. Offenbar ändere das Virus seine Gefährlichkeit, je nachdem, wer gerade regiere, sagte er in Anspielung auf die veränderten Einschätzungen zur epidemischen Notlage.
Er kritisierte, neuerdings würden Regelungen ganz im Sinne der FDP verfolgt. „Was haben Sie den Leuten in den Tee getan?“ Barsch betonte, es würden natürlich Regelungen gebraucht, die Bürger hätten es nach fast zwei Jahren Pandemie aber satt, Sprüche zu hören, die sich als nicht haltbar erwiesen. „Das untergräbt die Akzeptanz.“ Der Linke-Politiker warnte: „Mit jeder Welle wird unser Gesundheitssystem schwächer.“ Pfleger seien schlecht bezahlt und verließen ihren Beruf, Krankenhäuser würden geschlossen. Deutschland brauche eine stringente Corona-Politik.
Initiativen von CDU/CSU und Linke abgelehnt
Zu dem Gesetzentwurf hatten Unions- und Linksfraktion Initiativen eingebracht, die vom Bundestag abgelehnt wurden. Ein CDU/CSU-Änderungsantrag sah vor (20/90), in Paragraf 77 IfSG einen neuen Absatz 4a einzufügen, der die im August 2021 festgestellte epidemische Lage oder einen vor deren Auslaufen gefassten neuen Beschluss des Bundestages über die Fortdauer der epidemischen Lage bis zum 28. Februar 2022 weiter fortschreibt, sofern der Bundestag diese nicht vorher aufhebt. Die Vorlage wurde gegen die Stimmen der Unionsfraktion abgelehnt.
Abgelehnt gegen die Stimmen der Antragsteller wurde zudem ein Entschließungsantrag der Linksfraktion, in dem diese ein stärkeres Bemühen forderte, „Gruppen mit unterdurchschnittlicher Impfquote zu erreichen“ (20/85). Neben „niedrigschwelligen“ und soziale Brennpunkte in den Blick nehmenden Angeboten in Impfzentren plädiert die Fraktion unter anderem auch für eine Impfprämie in Höhe von 100 Euro für alle, die bis zum 31. Dezember 2021 einen vollständigen Impfschutz vorweisen können. Ein weiterer Entschließungsantrag der CDU/CSU wird zur Stunde namentlich abgestimmt. Darin plädiert die Unionsfraktion für die Feststellung des Fortbestehens der epidemischen Lage von nationaler Tragweite (20/84). Die Voraussetzung dafür sei unter anderem deshalb gegeben, weil „eine dynamische Ausbreitung einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit über mehrere Länder in der Bundesrepublik Deutschland droht oder stattfindet“.
Gesetzentwurf der CDU/CSU abgelehnt
Ebenfalls abgelehnt wurde ein Gesetzentwurf der Unionsfraktion (20/27), in dem diese einen besseren Schutz vor gefälschten Impfpässen forderte. Impfnachweise hätten in der Corona-Pandemie enorm an Bedeutung gewonnen, denn für die Inhaber könnten sie zur Aufhebung von Beschränkungen führen oder zur Teilnahme an Veranstaltungen. Die zunehmende Relevanz der Impfnachweise habe dazu geführt, dass diese vermehrt gefälscht und in Umlauf gebracht würden. Dies gefährde die Erfolge im Kampf gegen die Pandemie.
Nach den bisher geltenden Straftatbeständen sei die Fälschung von Gesundheitszeugnissen gegenüber anderen Urkundenfälschungen privilegiert. Urkundenfälschung könne mit einer Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren geahndet werden. Die Straftatbestände der Paragrafen 277 bis 279 im Strafgesetzbuch (StGB), die die Fälschung von Gesundheitszeugnissen beträfen, sähen hingegen als Strafrahmen nur Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem oder zwei Jahren vor.
Strafrahmen sollte erweitert und verschärft werden
Der Gesetzentwurf sah Änderungen der Paragrafen 277 bis 279 StGB vor. Die Privilegierung solle entfallen. Die Tatbestände sollten sich auch nicht mehr auf die Täuschung von Behörden oder Versicherungsgesellschaften beschränken. Zudem sollten bei den Paragrafen 277 bis 279 der Strafrahmen angehoben und besonders schwere Fälle eingefügt werden. Bei den Paragrafen 278 und 279 StGB sollte eine Versuchsstrafbarkeit eingeführt werden.
Ferner sollten besonders verwerfliche und in ihren Auswirkungen besonders gefährliche Urkundenfälschungen in Bezug auf Impfnachweise in den Kreis der Regelfälle für besonders schwere Urkundenfälschungen nach Paragraf 267 Absatz 3 StGB aufgenommen werden. Im Infektionsschutzgesetz sollten der Vorlage zufolge die Strafrahmen der Paragrafen 74 Absatz 2 und 75a moderat erhöht werden. SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP, AfD und Die Linke hatten den Antrag abgelehnt. Der Hauptausschuss hatte dafür plädiert, den Entwurf abzulehnen (20/78 Buchstabe b). (pk/vom/ste/irs/18.11.2021)
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